21.03.2013

Mitfahrgelegenheit und das Buchungssystem

Man mag von Mitfahrgelegenheiten halten, was man möchte. Die einen sagen, es sei unglaublich unsicher und man liefere sich quasi ans Messer. Die anderen sehen einfach nur die schnelle, kostengünstige und meist bequeme Art von A nach B zu reisen.

Ich als Fahrer bin natürlich Befürtworter von Mitfahrgelegenheiten, Fahrgemeinschaften oder wie auch immer man sie bezeichnen möchte.
Während bis vor wenigen Jahren noch die Mitfahrzentrale (www.mitfahrzentrale.de) quasi der Platzhirsch der Onlinevermittlung war, ist es nun die Mitfahrgelegenheit (www.mitfahrgelegenheit.de). Beide Portale werden durch die in München ansässige carpooling GmbH betrieben. Erstere wird dabei mehr und mehr ausbluten während letztere einen unglaublichen Schub bekommen hat, was die Anzahl an Inseraten und Nutzern angeht.
Ist ja alles gut und schön, nur hat sich die carpooling mit der Aufnahme gewisser Investoren offenbar einem Businesplan und damit Umsatzzielen unterworfen, die nur durch Werbeeinnahmen und Premiummitgliedschaften (etwa 25€ p.a.) nicht mehr zu erreichen waren.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass Leistung vergütet werden muss. Selbst im Zeitalter der Kostenlosgeneration. Alle (Mit-)Fahrer, mit denen ich mich unterhalten habe, sind der gleichen Meinung.

Alles begann irgendwann mit der Einführung des optionalen Buchungssystems. Später wurde die Bezahlfunktion mit eingeführt. Mit Skepsis haben es wohl einige angenommen. (Ja, ich biete auch mit dem Buchungssystem an, nur ohne Bezahlfunktion. Das dient lediglich dem Erhalt von Bewertungen) Nach und nach wurden die Daumenschrauben fester zugedreht. Es kamen ausgesuchte Strecken mit dem, ab diesem Zeitpunkt gebührenpflichtigen und so genannten Zwangsbuchungssystem (kurz ZBS), hinzu. Einige Monate danach dann Fahrten ab 600Km Länge und ab dem 27.03. für alle Fahrten ab 100Km.
Damit haben wir einen Topf von weit über 90% (von mir geschätzt) aller inserierten Fahrten.

Soweit ja noch nichts verwerfliches, wenn da nicht die SCHUFA Infoscore-Abfrage, die zwingende Hinterlegung der Kontodaten und die 11% Gebühren pro Mitfahrer und Fahrt wären. Aber eines nach dem anderen.
Stichwort SCHUFA Infoscore: Was zum Henker geht es die carpooling GmbH an, welchen Score ich dort erreiche? (Tante Edit fügte hinzu:) Außerdem gibt es leider einige Fälle, bei denen völlig falsche bzw. nicht vorhandene Informationen zu Fehlinterpretationen führten. Das lässt sicherlich einige Fahrer unfreiwillig in einem falschen Licht dastehen. (Bericht vom NDR vom 23.04.2012: Fragwürdige Bonitätsbewertung bei Infoscore)
Und da sich (wie sollte es auch anders sein?) natürlich nichts in den AGB finden lässt, ein von mir erstellter, nicht verfremdeter und/oder manipulierter Screenshot:





Die Einwilligung der Informationseinholung bei Infoscore erfolgt pro Inserat. Ob an dieser Stelle bereits die Pflicht besteht, hierüber in den AGB aufzuklären, kann ich nicht sagen.
Jetzt könnte man meinen "Dann setz' doch einfach nicht den Haken und feddich is der Lack." Leider nein. Hier noch ein Screen:




Womit wir bei den Kontodaten wären: Zur Bearbeitung durch das Online-Zahlsystem zwar nötig, aber das ganze System ist obsolet. Gerade solch sensiblen Daten, mit denen mir spürbar Schaden zugefügt werden kann, sollten diese einmal gestohlen werden, möchte nur an ausgewählte und wirklich wichtige Partner weitergeben. Carpooling gehört da sicherlich nicht dazu.

Und schließlich (und damit auch der größte Reibepunkt): Die 11% Gebühren. Wie oben schon gesagt, Leistung soll entsprechend vergütet werden. Insofern noch nichts verwerfliches. Was nur viele Fahrer aufregt (und mich damit eingeschlossen), ist der Umstand, dass hier die Leistung des Fahrers (nämlich die gefahrene Strecke) quasi besteuert wird. Die Leistung durch die carpooling GmbH liegt im Bereich des Inseratverwaltens und der Darstellung. Ganz gleich, welche Strecke gefahren wird und wie lang diese ist.
Nehmen wir mal einen (zugegeben recht weit unten angesetzten) Fahrpreis von 5€ auf 100Km pro Person und einer Strecke A von 300Km und einer Strecke B von 600Km. Bei Strecke A zahlt jeder Mitfahrer demnach 15€, macht bei drei Mitfahrern 45€ an Spritgeld für den Fahrer. Bei Strecke B zahlt jeder Mitfahrer schon 30€, was insgesamt 90€ Spritgeld ausmacht.

Kommt nun aber das ZBS ins Spiel, muss der Fahrer 11% von den Gesamteinnahmen an die carpooling GmbH abgeben.
Macht bei Strecke A also 4,95€. Bei Strecke B sind es schon 9,90€ an Gebühren. Die Leistung des Portals (und damit der carpooling GmbH) aber bleiben gleich.
Oder macht ein Inserat der Strecke Berlin --> Stuttgart mehr Aufwand als Berlin --> Hamburg? Ich glaube nicht.

Als wenn das schon nicht genug wäre, stoßen sämtliche Verbesserungsvorschläge auf taube Ohren. Um nochmal auf die leistungsgerechte Bezahlung zurückzukommen: Nicht wenige haben vorgeschlagen, pro Inserat einen gewissen Betrag, angefangen von 10ct bis zu 1€, zu bezahlen. Damit liegt zwar das Risiko allein beim Fahrer, wäre aber leistungsgerecht. (Risiko dahingehend, dass der Fahrer diese Gebühr bezahlen muss, egal ob er Mitfahrer findet oder nicht)
Man hätte quasi das vorherige Premiumsystem abgeändert, hätte sogar Pakete anbieten können. Angefangen von 1-5 Fahrten zum Preis x, über mittelgroße Pakete bis zum Beispiel 50 Fahrten im Jahr und ganz große Pakete mit unbegrenzter Anzahl an Inseraten. Quasi ein Prepaid-Tarif.

Abseits des Ganzen Gebühren- und ZBS-Wahnsinns leistet sich die carpooling GmbH auf dem mitfahrgelegenheit-Portal eine weitere Frechheit: Zensur.
Ok, sie betreiben die Seite und damit auch das Gästebuch, auf das auch noch nur alte Mitglieder Zugriff haben bzw. den Navigationspunkt sehen können. "Neulinge" wissen nicht einmal von dem Gästebuch. Sie können daher auch die Regeln der Nutzung aufstellen. Nur bleibt es nicht auf Ebene des gesunden Menschenverstandes. Dass Beleidigungen, Bedrohungen, radikale und hetzerische Aussagen bekämpft werden müssen, ist einleuchtend.
Dass aber keine Alternativplattformen in Zeiten von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken genannt werden dürfen und diese Einträge zensiert oder gar gänzlich gelöscht werden, ist nicht mehr so einleuchtend...

Ich bin schon zu Zeiten der 600Km-Grenze auf andere Portale gegangen und inseriere dort parallel zur Mitfahrgelegenheit. Bis jetzt mit eher schleppendem Erfolg. Von 15 Anfragen kommt vielleicht eine einzige von einem alternativen Portal. Zu diesen zählen unter anderem Flinc (www.flinc.org), Fahrgemeinschaft (www.fahrgemeinschaft.de) und Drive2Day (www.drive2day.de).
Vielleicht ändert sich das ja in den kommenden Monaten, wer weiß das schon?

Es heißt jetzt jedenfalls, die anderen Portale noch bekannter zu machen und die Mitfahrgelegenheit durch die Fahrgemeinschaft zu ersetzen.